Zum Familienfonds in fünf Schritten
Familienfonds können die Performance von Single Family Offices beflügeln. Hier erfahren Single Family Officer, wie der Weg zum eigenen Fonds gelingt.
Zum Magazin19. Feb. 2022 | Lesedauer: 10 Min.
Jedes Familienunternehmen war einmal ein Start-up. Die einen etabliert, die anderen hungrig: Da liegt es nahe, dass beide eng zusammenarbeiten. Doch die Beziehung ist kompliziert. Familienunternehmen-Forscherin Nadine Kammerlander über „Hidden Champions“ in der Provinz, gründende Nachfolger*innen und den Wert voller Adressbücher.
Zu dieser Fragestellung liegt keine repräsentative Umfrage vor. Aber in unseren Studien haben zwischen 15 und 30 Prozent der Familienunternehmen von Erfahrungen mit Start-ups berichtet – Tendenz steigend. Wir sehen jedoch auch, dass viele Familienunternehmen in der Vergangenheit mit Start-ups zusammengearbeitet haben, dann aber vor Schwierigkeiten standen, die sie nicht überwinden konnten. Was schade ist, da hier sehr viel Potenzial liegt.
An welchen Stellen kommt es zu Schwierigkeiten?
Familienunternehmen und Start-ups sprechen oft nicht genug über gegenseitige Erwartungen. Das zeigt sich beispielsweise dann, wenn ein Familienunternehmer wie selbstverständlich davon ausgeht, ein Kooperationsprojekt irgendwann ins Familienunternehmen zu integrieren – obwohl der Start-up Gründer es als sein Baby ansieht und das gar nicht möchte. Grundsätzlich muss man aber sagen, dass Start-up Gründer genau wie Familienunternehmer im tiefsten Herzen Unternehmer sind – und daher eigentlich ideal zusammenpassen.
Erwartungsmanagement spielt auch im Umgang mit Kunden eine wichtige Rolle. Start-ups neigen dazu, Versprechungen abzugeben, die sie nicht immer einhalten können. Venture-Capital-Investoren wissen um dieses Problem und kalkulieren es ein. Familienunternehmen fürchten aber um ihre Reputation. Wenn sie Liefertermine zusagen, dann sind diese in der Regel verbindlich. Das gleiche Verhalten erwarten sie von ihren Partnern.
Wenn Familienunternehmen sich für eine Zusammenarbeit entscheiden, haben sie zwei Möglichkeiten: Sie können eigene Strukturen im Unternehmen aufbauen oder Kooperationen eingehen. Welches Modell dominiert?
Das kommt auf die Größe des Unternehmens an. Unternehmen wie beispielsweise Fiege Logistik oder der Industriedienstleister Lobbe sind groß genug, um sich ihren eigenen Start-up-Pool aufzubauen. Wenn die Unternehmen aber kleiner sind, kommt es aufgrund begrenzter Finanzmittel eher zur Zusammenarbeit mit einzelnen, externen Start-ups – wobei das Risiko, damit zu scheitern, hoch ist.
Es gibt jedoch einen weiteren Modus, der sehr gut funktioniert: Nachfolgerinnen und Nachfolger gründen nach ihrem Studienabschluss ein Start-up, das sie später ins elterliche Unternehmen integrieren. Ein Beispiel dafür ist Möbel Schaumann in Kassel – hier hat die Tochter erstmal einen Onlineshop für Lampen aufgebaut.
Kommt es dabei verstärkt zu Konflikten zwischen den Generationen?
Diese Konflikte sind nicht neu. Die nächste Generation will Dinge anders machen und Traditionen aufbrechen. In gut funktionierenden Unternehmen und Familien wird sich die alte Generation dazu entscheiden, Verantwortung für bestimmte Zukunftsfelder auf den Nachwuchs zu übertragen, ohne sich einzumischen. Das ist eine Frage der Haltung.
Konflikte entstehen etwa dann, wenn der Seniorchef nicht bereit ist, loszulassen. Übergaben werden von Jahr zu Jahr verschoben, nach dem Motto: „Nächstes Jahr trete ich zurück und meine Tochter übernimmt. Oder eben im Jahr darauf.“ Oft mischt der Senior auch nach erfolgter Übergabe im Unternehmen mit. Vor Jahren habe ich eine Studie in der Schweiz durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass im Jahr nach der Übergabe die meisten Seniorchefs nicht nur ihr Büro behielten – sondern im Schnitt auch noch 40 Stunden pro Woche für das Unternehmen tätig waren.
Was sind die Triebfedern für eine Zusammenarbeit mit Start-ups?
Wir haben Familienunternehmen dazu befragt. Die einen berichteten von ganz konkreten technologischen Problemen, die sich im Unternehmen selbst nicht lösen lassen. Andere gaben an, in unterschiedlichste Tech-Start-ups zu investieren, um keinen Trend zu verpassen. Was viele Unternehmen aber noch gar nicht erkennen: Die Zusammenarbeit verschafft ihnen zudem Zugang zu jungen Talenten.
Warum sind Familienunternehmen dabei auf Kooperationen angewiesen?
Für viele Unternehmen ist es problematisch, dass sie in der Provinz sitzen, etwa in Wolfenbüttel, Lahnstein oder Künzelsau. Über ein Start-up, beispielsweise in Berlin oder in München, lassen sich Talente gewinnen, die sonst ganz sicher nicht für das Familienunternehmen arbeiten würden – beispielsweise Absolventen mit IT-Hintergrund. „Hidden Champions“ mangelt es häufig an überregionaler Bekanntheit.
Was können Unternehmen noch machen, um Talente zu gewinnen?
Eine denkbare Maßnahme ist die Einführung flexibler Arbeitsmodelle. Wir haben in der Pandemie gesehen, dass Menschen im Homeoffice sehr produktiv arbeiten können, wenn bestimmte Bedingungen gegeben sind. Wichtig ist es auch, Perspektiven zu schaffen: Wer beispielsweise ein Start-up aufgebaut hat, will häufig auch einen Anteil daran halten. Für Familienunternehmen ist das Abgeben von Unternehmensanteilen aber immer ein rotes Tuch. Damit beenden Sie jedes Gespräch innerhalb kürzester Zeit.
Wie kann eine Struktur aussehen, die beide Seiten zufriedenstellt?
Man kann die Innovation in einer neuen Legal Entity aufbauen. Das bietet sich ohnehin an, wenn für die Finanzierung weitere Geldgeber gebraucht werden, wie etwa Venture Capital Fonds. Von dieser neuen GmbH können Anteile abgegeben werden, ohne die Eigentümerstruktur des Familienunternehmens zu verändern. Und wir wissen, dass unternehmerische Anteile junge Talente motivieren, einzusteigen und dabeizubleiben.
Der Aufbau von Kooperationen kann mit erheblichen Kosten verbunden sein. Wie bewerten Sie die Bereitschaft in Familienunternehmen, entsprechende Mittel aufzubringen?
Wir sehen, dass die Investitionsbereitschaft von Familienunternehmen gestiegen ist. Auch in mittleren Unternehmen werden dafür durchaus siebenstellige Beträge aufgewendet. Andererseits wird ein Familienunternehmen immer abwägen, ob die Investition eine Gefahr für das eigene Unternehmen darstellt.
Ist die Zusammenarbeit mit Start-ups auch eine Überlebensfrage für Familienunternehmen, um Innovationsstau aufzulösen und längst überfälligen Wandel nachzuholen?
Hier muss man differenzieren. Innovation ist ein sehr weit gefasster Begriff, der Prozess- und Produktinnovationen, aber auch wirklich radikale Anpassungen beschreibt. Die Wissenschaft zeigt hier, dass Familienunternehmen bei normalen Produkt- und Prozessinnovation, die jahrzehntelang unsere Industrie geprägt haben, sogar besser sind als andere etablierte Unternehmen. Familienunternehmen sind innovativer.
Andererseits leben wir in einer Zeit, die von technischen Innovationen und großen Umbrüchen geprägt ist. Ein angestellter Manager wird sich im Zweifel trotz großer Risiken für radikalen Wandel entscheiden. Geht die Sache schief, sucht er sich einen neuen Job. Das können Familienunternehmen nicht – wenn sie auf das falsche Pferd setzen, gefährden sie ihr Erbe sowie ihre Tradition. Insofern ist es auch verständlich, dass sie sich mit radikalen Innovationen schwerer tun.
Wer fördert den Austausch von Familienunternehmen und Start-ups?
Überregional ist vor allem eine Initiative des Familienunternehmens Viessmann zu nennen, die viel Beachtung erfährt: der „Maschinenraum“. Hier finden Vertreter unterschiedlichster Branchen zusammen, aus Mittelstandsunternehmen und Start-ups. Ein weiteres Erfolgsbeispiel ist die Initiative New Mittelstand. Auch auf lokaler Ebene tut sich viel. Aber Vorsicht ist geboten. Im Moment sprießen viele Angebote aus dem Boden. Hier sollten die Familienunternehmen und Start-ups zunächst prüfen, was wirklich hinter den Initiativen steht und ob diese die eigenen Werte und Bedürfnisse abdecken.
Blicken wir abschließend auf die andere Seite: Was versprechen sich Start-ups von Familienunternehmen?
Finanzielle Mittel sind ein wichtiger Punkt. Familienunternehmen sind aber vor allem deswegen gefragt, weil sie bereits über Zugang zum Markt verfügen. Im B2B-Bereich kommen sie entweder selbst als Kunde in Frage – oder sie öffnen ihr Adressbuch für die Kundenakquise. Start-ups profitieren zudem von der Bekanntheit und Reputation ihrer Partner.
Professor Dr. Nadine Kammerlander ist seit 2015 Professorin an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Die diplomierte Physikerin und promovierte Betriebswissenschaftlerin beschäftigt sich in Lehre und Forschung u.a. mit den Themen Familienunternehmen, Mittelstand, Innovation, Nachfolge und Family Offices.
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