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Private Wealth - Die Lerbacher Runde
„Eine Unternehmerin erzählte mir auf dem Weg zur Lerbacher Runde im Zug, sie habe gerade in die Innenarchitektur ihres Unternehmens investiert. Um die Arbeitsplätze attraktiver zu gestalten. Was solle sie auch sonst mit ihrem Geld tun. Es gebe ja keinen Zins mehr“, erzählt Stephan Jäggle vom Family Office Münster Stegmaier Rombach. Ähnliches erlebe er derzeit öfter: „Vor ein paar Jahren dachten viele noch, die Zinssituation sei temporär. Jetzt scheint sich der Gedanke zu verfestigen, dass das so bleibt. Ich muss also konsumieren. Mein Kapital anderweitig einsetzen. Das ist eine völlig neue Ausgangssituation.“
„Im Frühsommer 2016 hatte die Kernfrage der Lerbacher Runde tatsächlich noch gelautet: Ist der seit 2009 anhaltende Aufschwung bald zu Ende?“, erinnert Bernd Riedel, Executive Director Third Party Distribution beim Asset-Manager Robeco, der gemeinsam mit private wealth die Lerbacher Runde veranstaltet: „Damals hatten die Experten schon mit einem klaren Nein geantwortet. Und heute wird diese Prognose durch harte Fakten untermauert.“
Die deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute konstatieren in ihrem Frühjahrsgutachten: „Der Aufschwung festigt sich.“ Und auch der Internationale Währungsfonds revidiert seine Prognosen nach oben. Er sieht die Weltwirtschaft „in beschwingtem Schritt“. „Das ist vielversprechend“, konstatiert Hanno Kühn, Deutsche Apotheker- und Ärztebank. Denn der positive Trend, so die Lerbacher Runde, werde anhalten. 18 der 23 Teilnehmer sind der Meinung, dass sich das Wachstum der Weltwirtschaft in den kommenden zwölf Monaten sogar beschleunigen wird.
„Zum ersten Mal seit langer Zeit läuft der Konjunkturmotor wieder auf allen Zylindern“, erklärt Marc Vits, Bankhaus Metzler, „nicht nur in den meisten Industrienationen tendieren die Raten nach oben. Auch die Schwellenländer haben ihre Wachstumsschwäche überwunden.“ „In den USA wird die Geldpolitik nun von expansiver Fiskalpolitik ergänzt“, analysiert Stefan Ebner, FOCUS Asset Management: „Und interessanterweise beschleunigt sich das Wachstum auch in Europa, wenngleich auf niedrigerem Niveau. Dort stimuliert die expansive Geldpolitik mittlerweile tatsächlich – vor allem Konsum und Bau.“
In Deutschland ist daraus sogar ein veritabler Boom geworden. Die Baubranche meldet Zahlen wie zuletzt zu Zeiten der Wiedervereinigung. Wichtige Konjunkturindikatoren wie das ifo-Geschäftsklima haben ähnliche Niveaus wie vor der Finanzkrise erreicht. „Angesichts dieses Konjunkturbildes dürften auch die Unternehmensgewinne 2017 und 2018 vor allem in Europa deutlich steigen“, vermutet Stephan Jäggle. Im Schnitt rechnet die Lerbacher Runde in den kommenden beiden Jahren mit Zuwachsraten um jeweils acht Prozent. Das, sind die Profis einig, sei keine schlechte Vorgabe für die Aktienmärkte.
Seit der Gründung der Lerbacher Runde im Frühjahr 2010 versuchen die Teilnehmer – Bankiers, Vermögensverwalter und Family Officer –, vermögenden Investoren Orientierung bei der Kapitalanlage zu geben. In diesem Jahr ist dies angesichts der positiven Stimmung in der Wirtschaft scheinbar einfach. „Auf den zweiten Blick ist es aber richtig kompliziert“, wehrt Michael Huber, VZ Vermögenszentrum, ab: „Denn lange Zeit hatten die Märkte massive Unterstützung durch fallende Zinsen. In Zukunft fällt die geringer aus oder ganz weg.“ Tatsächlich hatte der legendäre US-Investor Warren Buffett einmal gesagt, Zinsen hätten für die Preise von Wirtschaftsgütern dieselbe Bedeutung wie die Schwerkraft für den Apfel am Baum. In der Null- oder sogar Negativzins-Ära flogen deshalb nicht nur die Kurse festverzinslicher Wertpapiere davon. Auch Immobilienpreise stiegen um ein Vielfaches schneller als die Mieten, Aktienkurse kletterten deutlich schneller als die Erträge der Firmen. Was, wenn die Schwerkraft nun zurückkommt? Entscheidend ist deshalb, wie sich die Notenbanken verhalten. In der Vergangenheit galt die Faustformel, die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen bester Bonität würde sich in etwa am Niveau des nominalen Wirtschaftswachstums orientieren. In Europa wären das etwa drei, in Deutschland gar vier Prozent. „Durch die massiven Eingriffe der Geldpolitik ist der aktuelle Zins weit von diesem fairen Satz entfernt. Er ist manipuliert, wird künstlich unten gehalten“, verdeutlicht Marc Vits. „Und weil die Europäische Zentralbank auch Unternehmensanleihen kauft, sieht es in diesem Segment nicht anders aus“, ergänzt Lars Edler, Sal. Oppenheim: „Die Depots sind voll mit verzerrt gepreisten Anlagen. Und niemand weiß genau, wie viel da bei der Rendite wirklich draufstehen müsste, falls die Notenbank einmal ihre Marktmanipulation beendet.“
Das allerdings erwartet die Lerbacher Runde in den kommenden zwölf Monaten noch nicht. Dass die Europäische Zentralbank ihr Anleihe-Ankaufsprogramm Ende 2017 beenden wird, hält die überwältigende Mehrheit der Teilnehmer für „unwahrscheinlich“. Die erste Zinserhöhung wird erst Ende 2018 oder Anfang 2019 erwartet.
„Die EZB argumentiert ja vor allem mit ihrem Ziel, die Inflationsrate in Europa auf zwei Prozent bringen zu wollen“, erklärt Ebner. Jüngst sei sie diesem zwar näher gekommen – die Inflationsrate kletterte in Europa auf 1,9 Prozent. Doch die Lerbacher Runde hält diesen Anstieg nur für „temporär“. „Wir glauben, dass wir den Höhepunkt zumindest auf kurze Sicht erreicht haben. Aufgrund von Basiseffekten – vor allem aufgrund des wieder erhöhten Ölpreises – werden wir von nun an eher wieder einen Rückgang sehen“, meint Jäggle. Und Hanno Kühn ergänzt: „Der Aufschwung müsste noch sehr viel länger dauern, damit irgendwann die Kapazitäten der Unternehmen ausgeschöpft wären und von dieser Seite dann ein Inflationsimpuls zu erwarten wäre.“
Etwas anders sehe es in den USA aus. „Dort ist die Konjunktur schon ein Stück weiter, die Arbeitslosigkeit niedriger, die Kapazitätsauslastung höher. Jetzt kommt es darauf an, wie viel von seinen Plänen Donald Trump wirklich umsetzen kann. Gibt er in dieser Situation fiskalpolitisch noch mehr Gas, wäre das inflationssteigernd“, meint Stefan Ebner. Deshalb erwartet die Lerbacher Runde auch, dass die US-Notenbank ihren Weg der sukzessiven Leitzinserhöhung weitergehen wird. Nach drei kleinen Schritten ist sie aktuell bei einem Niveau zwischen 0,75 und einem Prozent angekommen. Bis Ende des Jahres, so die Prognose der Experten, wird der Leitzins noch einmal um einen halben Prozentpunkt erhöht. Ende 2018 soll er dann zwischen 1,5 und 1,75 Prozent liegen.
Damit erwartet die Lerbacher Runde einen geringeren Zinsanstieg als die meisten Auguren – der Marktkonsens sieht 2018 US-Leitzinsen oberhalb der Zwei-Prozent-Markt. „Die FED muss einen Spagat hinbekommen“, erklärt Stephan Buchwald, Kontora Family Office: „Einerseits will sie sich möglichst viel Spielraum schaffen, um in einem Abschwung, der irgendwann kommen wird, wieder agieren zu können. Andererseits stärkt sie aber den Dollar, wenn sie die Zinsen zu schnell und zu stark anhebt. Das ist aber nicht gewollt. Entsprechend vorsichtig wird sie auch weiterhin vorgehen.“ Damit sind die Eckpfeiler für die Anlagestrategie eingeschlagen. Starke Konjunktur, steigende Unternehmensergebnisse und leicht steigende Zinsen: „Die wichtigste Überlegung bei der Aufteilung des Anlagevermögens“, erläutert Stephan Buchwald, „muss nun sein: Wie sieht das Chance-Risiko-Verhältnis in den einzelnen Anlageklassen aus?“ Bei den meisten Anleihen sehen die Experten heute ein Missverhältnis zwischen diesen beiden Parametern. Das Risiko werde nicht mehr bezahlt. Konsequent werden Zinstitel deutlich untergewichtet und die Restlaufzeit extrem kurz gehalten. Als Motto gilt: Wichtig ist in diesem Bereich vor allem, im nächsten Jahr kein Geld zu verlieren. Entsprechend findet die Lerbacher Runde aktuell auch nur sehr wenige Zinsanlagen, bei denen sich ein Engagement lohnt (Seite 64).
Ihre wichtigste Aufgabe sehen die Profis deshalb darin, Ersatz für den Zinsbereich im Depot zu finden. Entsprechend haben sie sogenannte Alternative Anlagen im Vergleich zum Vorjahr deutlich aufgestockt. „Bei der Auswahl sind dabei zwei Dinge besonders zu beachten“, erläutert Lars Edler: „Erstens sollten diese Investments möglichst sichere laufende Erträge bringen. Und zweitens sollte die erwartete Kursentwicklung möglichst wenig mit den Trend am Aktienmarkt korrelieren. Denn Aktienrisiken haben Anleger ja ohnehin schon genug im Depot.“(Die konkreten Ideen der Lerbacher Runde in Sachen Alternativen Anlagen finden Sie ab Seite 67.)
Den weitaus größten Teil des Kapitals raten die Profis weiterhin in Aktien zu investieren – trotz der Gefahr steigender Zinsen und damit der zumindest schleichenden Rückkehr der Buffett’schen Schwerkraft. „Es gibt eben gute oder schlechte Zinssteigerungsphasen“, erklärt Lars Edler: wenn die Zinsen steigen, weil die Konjunktur anspringt, ist das positiv für den Aktienmarkt. Und genau diese Situation haben wir heute.“ „Außerdem kommt es darauf an, wie schnell und stark die Zinssteigerungen erfolgen. Wenn die Notenbanken graduell und mit Augenmaß vorgingen, war das kein Problem“, ergänzt Vits: „Bleibt FED-Chefin Yellen auf dem Weg der kleinen, gut angekündigten Zinssteigerungen, werden die Auswirkungen auf den Aktienmarkt nicht besonders groß sein.“
Offiziell mag das zwar kein Teilnehmer der Runde sagen, aber hinter vorgehaltener Hand wird dann doch geflüstert, der Aktienjahrgang 2017 könne sogar außerordentlich gut werden. In den vergangenen drei Jahren seien die Kurse gestiegen, obwohl die Konjunktur stagnierte und die Unternehmensgewinne kaum vorankamen. Jetzt sei der Aufschwung sichtbar, die Erträge würden deutlich steigen. Doch die Zinsen blieben dennoch – vor allem in Europa – extrem niedrig. Das sei der Stoff, aus dem eine veritable Aktieneuphorie entstehen könne. Trotzdem gelte es, auf der Hut zu bleiben. Denn der Konjunkturzyklus sei eben nicht außer Kraft. Die Wellenbewegungen würden sich vielleicht dehnen lassen. Aber es werde sie auch in Zukunft wieder geben.
„Was wir jetzt erleben“, folgert Hanno Kühn, „ist eben nur eine zyklische Konjunkturerholung in einem langfristig fallenden Wachstumstrend. Das mag in den kommenden Wochen zu einer Euphorie führen. Aber die wird auch wieder vorübergehen.“ Wie positionieren sich die Profis in diesem Szenario? „Wir bleiben sehr diszipliniert“, erläutert Stephan Buchwald, „und führen das sogenannte Rebalancing regelmäßig durch. Wenn die Kurse deutlich gestiegen sind, verkaufen wir und führen bei passiven Aktienmandaten die Aktienquote so auf das ursprüngliche Niveau zurück. Der Gewinn geht in Cash.“
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